Die vergessene Kiste: Stoffdruckmodeln aus dem alten Unterbräu

Mechtild Hofmann (1944-2020) hat sich lange und intensiv mit den Färbern in Schrobenhausen beschäftigt und dem Stadtarchiv umfangreiche Dokumentationen überlassen. Der folgende Aufsatz wurde übernommen aus dem Band „Schrobenhausener Land, Band 2“ aus dem Jahr 2012.
Bilder: Sammlung Hofmann, Max Direktor

 

Die vergessene Kiste

Ein Schatz von Stoffdruckmodeln aus dem alten Unterbräu

Im Jahr 2003 wurde der alte Unterbräu abgerissen, das Gebäude an der Ecke Lenbachstraße / Kaminkehrergasse. Jahrhunderte lang war dieses Haus mit einer Braugerechtigkeit verbunden. Da die Braugerechtigkeit des Unterbräu zu Beginn des 19. Jahrhunderts an das benachbarte Trappenhaus übergegangen war, bezeichnet man das Gebäude auch als „alten Unterbräu“. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war der alte Unterbräu Werkstätte einer Färberei. Als das Haus abgerissen wurde, wurden eine Reihe von gut erhaltenen Druckmodeln gefunden, die von Maria Joas, der letzten Bewohnerin des Gebäudes, dem Stadtmuseum übergeben wurden. Eine kurze Familien- und Hausgeschichte, die Herstellung von Indigo als beliebter Druckfarbe und ein kurzer Einblick in die Technik des Blaudrucks, die im alten Unterbräu bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts praktiziert wurde, geben einen interessanten Eindruck vom Leben und Arbeiten der Färber in Schrobenhausen.

Ältere Hausgeschichte

Der Unterbräu in der Unteren Stadt ist schon im 15. Jahrhundert als Braustätte bezeugt. Die Hausforscher Wolfgang und Walter Kirchner haben festgestellt, daß der alte Unterbräu an der Ecke Lenbachstraße / Kaminkehrergasse um 1600 aufgestockt wurde für einen farbenprächtigen Tanzboden, der die gesamte Fläche des ersten Stockwerks einnahm und in Rot aus Erdmenning und ockerfarbenem Erdpigment gefasst war. Später wurde eine Trennwand eingezogen. Zur Straßenseite blieb ein stattlicher Festsaal erhalten. Wände und Decke des Saals wurden nach neuem Geschmack mit Kienspanruß vollkommen geschwärzt. Wischfest machte sie ein Bindemittel. Ende des 16. Jahrhunderts waren schwarze Räume 100 Jahre lang in Mode gekommen. Bier wurde im Erdgeschoß gebraut und dort in der Bräustube ausgeschenkt.[1] Die noch robusten Bänke, die an den Wänden entlangliefen, blieben erhalten, als die Bräustube später zur Wohnstube wurde. Die „Färbermarie“ – Maria Joas, geborene Märtl – hat noch um 1910 als Kind ihr Spielzeug in den Truhen dieser Bänke verstaut.

Der Unterbräu (ganz links) um 1880

Der Unterbräu wird Färberei

Im 18. Jahrhundert war südlich des Unterbräu von Pflegsverweser Johann Stephan Trapp ein neues Gebäude errichtet worden, neben dem Pflegschloss und dem Rathaus das repräsentativste nichtkirchliche Gebäude der Stadt. Im Jahr 1803 eröffnete Trapp hier die erste Poststation in Schrobenhausen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde die Braugerechtigkeit des Unterbräu an das südliche Gebäude gezogen, das dann lange als Trappenbräu, später dann als Unterbräu bezeichnet wurde.[2]

Im Jahr 1843 ist der Wirt und Metzger Jakob Stief Besitzer des Trappenbräu und des danebenliegenden ehemaligen Brau- und Gasthauses. Das letztere verkauft er an den Lodner Joseph Boniberger, der es für seine Tochter Elisabeth erwirbt und an seinen Schwiegersohn Johann Nepomuk Plank übergibt. Johann Plank stammt aus Ellingen und hatte das Färberhandwerk erlernt und erhält im Jahr 1843 in Schrobenhausen eine Konzession als Färber. Im Jahr 1855 erwirbt er eine Webergerechtigkeit und ist danach auch als Weber tätig. Im Jahr 1857 kauft er eine Zwirnmaschine und erhält die Konzession zur Herstellung und zum Verkauf maschinell gezwirnter Garne. Im gleichen Jahr richtet Plank neben der Färberei einen Laden für Färberei- und Textilerzeugnisse ein.[3]

Vinzenz Märtl

Nach einem familiären Schicksalsschlag verkauft Johann Plank sein Anwesen mit Krämerei im ehemaligen Unterbräu-Haus um 5 000 Gulden an den Färber Vinzenz Märtl. Nach Krankheit und Tod seiner Frau hoch verschuldet, muss dieser das Haus verkaufen, doch gelingt es seinen Kindern, das elterliche Anwesen im Jahr 1884 zurückzuerwerben. Im Jahr 1904 gibt Vinzenz Märtl die Färberei auf. Seine Frau Anna Maria Märtl richtet im Färberhaus einen kleinen Kolonialwarenladen ein. Maria Joas, die im Färberhaus im Jahr 1909 geborene und aufgewachsene Enkelin, erinnert sich: „Die Großmutter hatte einfache Stoffe am Meter, Socken, Heringe, Käse, Weihnachtskugeln, Zigarren und Zigaretten, Salatöl, Essig, kugelige Pfefferminzbonbons: weiß mit roten Streifen in Gläsern, Eisbonbons: flache weiße ohne Farbstoff erfrischend., Waschmittel, Seife, Schnupftabak, Kaffee, Petroleum, Margarine, Kerzen, Zucker.“ Vinzenz Märtls Tochter Babette, die bis1909 den Öfele-Bräu bewirtschaftet hatte, führte den Laden bis in die späten Dreißigerjahre weiter.[4]

Als Vinzenz Märtl 1869 das Anwesen samt Färbergerechtigkeit und Zubehör übernommen hatte, gehörten dazu auch  Druckmodeln, die Plank selbst hergestellt hatte. Märtl hat dann den Bestand an Druckmodeln noch erweitert. Als Märtls Enkelin Maria Joas ihr Haus räumte, fanden sich in einer vergessenen Kiste auf dem Dachboden fast fünfzig dieser Druckstöcke und das Musterbuch des Färbers. Im wackligen Puppenwagen und zwischen Gartengeräten lagen weitere Modeln. „Als Kind hab´ ich damit gern im Sand g´spielt. Das hat so schöne Muster geben. Oder man hat sie als Blumentopf-Untersetzer hergenommen.“ Da hatte der Großvater schon nicht mehr gelebt und sein Sohn Vinzenz, der Onkel Marias, war als Färber nach Passau gezogen.[5]

Druckmodel von Vinzenz Märtl

 

Der bekannte Färbermeister Josef Fromholzer aus Ruhmannsfelden hat für das Schrobenhausener Stadtmuseum mit den alten Modeln, die Frau Joas dem Museum überlassen hatte, ein großes Mustertuch bedruckt. Nebenbei verriet er, daß er 1943 bei Vinzenz Märtl junior, den er als Mensch und Fachmann schätzte, in Passau die Gesellenprüfung abgelegt hat. Märtl war Obermeister der Färber- und Chemischreinigungs-Innung Niederbayern-Oberpfalz.

Druckmodel von Vinzenz Märtl

 

Indigo – König der Farben

Den blauen Farbstoff für den Blaudruck lieferten seit dem 17. Jahrhundert vor allem die Blätter des tropischen Indigostrauchs.[6] Der Indigostrauch (Indigofera species) und der heimische, farbstoffärmere Waid (Isatis tinctoria) enthalten den Indigo-Farbstoff in einer farblosen, wasserlöslichen Vorstufe, dem sogenannten Indoxyl oder Indigweiß.Bei der Gärung des zerstoßenen Pflanzenmaterials wird diese Vorstufe unter Zusatz von Soda, Pottasche oder Urin ausgewaschen. Ist die schmutzig aussehende Brühe, die sogenannte Küpe, gefiltert, können Stoffe damit getränkt werden. Das Blau entwickelt sich dann beim Verhängen an der Luft, wenn durch Oxidation das Indigweiß in den unlöslichen Indigo umgewandelt wird.

Abhängig von der Konzentration der Küpe und der gewünschten Tiefe des Farbtons wurden die Arbeitsgänge Küpen – Verhängen im 15-Minuten-Takt wiederholt. Für die Indigo-Produktion – hauptsächlich auf Plantagen in Westindien – ließ man die Küpe in flachen Becken in der Sonne verdunsten. Im Kontakt mit der Luft entstand der Indigo, der sich leuchtend blau am Boden absetzte. Dieser Satz wurde getrocknet, zu Brocken zerstoßen und so in den Handel gebracht. Vor der Verarbeitung mußten die blauen Brocken durch Reduktion wieder in Indigweiß übergeführt werden. Dies geschah früher in der Gärungsküpe durch Versetzen mit Zucker oder stärkehaltigen Produkten, auch Kalk, Urin oder Soda, heute in der Natronlauge-Hydrosulfit-Küpe.

Der Blaudruck

Der Blaudruck entwickelte sich in Europa im späten siebzehnten Jahrhundert.[7] Durch die Ostindische Kompanie kamen blau-weiß gemusterte Stoffe in den Westen, die bald nachgeahmt wurden. So entstand in den Städten das Gewerbe der Blaufärber.In ruhigeren Zeiten haben die Färber Stoffe auf Vorrat bedruckt und damit gehandelt. Oft brachte der Kunde eigenes Leinen mit, an das als Eigentums-Nachweis eine Färbermarke aus Metall mit eingeprägter Nummer gehängt wurde. Die zweite Marke war für die Abholung bestimmt. Anhand des vorliegenden Musterbuchs traf der Auftraggeber seine Wahl für den Druck.

Blaudruck

Druckvorbereitung

Durch Kochen wurde der Stoff gereinigt und für den Druck saugfähig gemacht, meist mit dünnem Kleister leicht gestärkt, geglättet und auf den Drucktisch gespannt.

Modeln 

Wichtigstes Arbeitsgerät der Blaudrucker waren die Modeln oder Druckstöcke. Sie bestanden meist aus Hartholz – vorwiegend Obsthölzer oder Weißbuche. Ab dem neunzehnten Jahrhundert arbeitete man zum Teil mit metallbesetzten Druckstöcken, die feinere Muster ermöglichten. Spitze Metallstifte an den Ecken der Model bohrten sich in den Stoff und erleichterten dem Drucker die exakte Fortsetzung des Musters.

Druckverfahren 

Man unterscheidet in der Blaudruckerei zwei technische Verfahren. Beim Negativdruck (Reservedruck) wird eine farbundurchlässige Masse (Papp) mittels Model auf den Stoff gebracht. Die unterschiedlichen Rezepturen beschrieben Wachs, Harz, Terpentin, Tonerde oder Gummiarabicum vermischt mit Bleiweiß, Kreide, Grünspan, Schmalz oder andere Substanzen. Beim Färben bleibt das aufgedruckte Muster ausgespart; der Papp wird später ausgewaschen. Beim Positivdruck (Direktdruck) wird blaue Farbe mittels Model auf den Stoff gebracht.

Nachbehandlung

Beim Negativdruck muß die wachshaltige Schutzschicht in schwachen schwefelsauren Bädern ausgewaschen und mit klarem Wasser nachgespült werden. Frau Joas, die „Färbermarie“, erinnert sich: „D´Mama hat erzählt, dass der Großvater die Stoffe im Stadtbach g´waschen und am eigenen Arteser-Brunnen im Hof geschwenkt hat.“ In Körben landeten die Stoffbahnen mit einem Aufzug im zweiten Stock, wo sie über kräftige Stangen an der Altana geworfen, trocknen konnten. Im Kellergewölbe stand die Mange. Ein mit Steinen gefüllter Kasten auf dicken Holzrollen wurde über einen Göpel in Bewegung gesetzt und ähnlich einer Mangrolle und einem Mangbrett über die Leinwand bewegt.

Viel Geduld, viel Sorgfalt war gefragt in den vergangenen Tagen und das im Umgang mit giftigen Chemikalien in gesundheitsschädlicher Nässe und bei teils harter körperlicher Arbeit mit der Aussicht auf einen mageren Gewinn.

Blaudruck mit Färbermarke von Vinzenz Märtl

 

[1] Wolfgang und Walter Kirchner: Historische Hausforschungen zum Unterbräu.

[2] Georg August Reischl: Schrobenhausen – sein altes Handwerk, Schrobenhausen 1967, S. 76-78.

[3] Stadtarchiv Schrobenhausen, Ansässigmachungs-, Verehelichungs und Gewerbekonzessionsakten A und A…

[4] Stadtarchiv Schrobenhausen, Sammlung Mechtild Hofmann, Ordner „Unterbräu“. Hier sind auch die Erzählungen von Maria Joas dokumentiert.

[5] Wie Anm. 4.

[6] Matthias Seefelder: Indigo – Kultur, Wissenschaft und Technik, Landsberg 1994

[7] Reinhold Reith: Lexikon des alten Handwerks, München 1990, S. 70-75. – Informationsblätter des fränkischen Freilichtmuseums Bad Windsheim:

Farben, Färben, Drucken. – Josef Fromholzer: Färberei und Handdruckerei. Ruhmannsfelden.