Dieser Beitrag befasst sich in Form eines kleinen „Lexikons“ mit der Geschichte der SOB-Filmgruppe, die von 1967 bis 2017 bestand und vor allem in den 80-er und 90-er Jahren des vergangenen Jahrhunderts für hoch ambitionierten Amateurfilm stand, der weit über Schrobenhausen hinaus Ansehen genoss.
Das Gesicht der SOB-Filmgruppe: Konrad „Conny“ Leufer hinter der Kamera (Foto: SOB-Film)
Darsteller
Hier ist bewusst die Rede von Darstellern, nicht von Schauspielern. Nicht selten leiden Amateurfilm unter unfreiwilliger Komik, wenn Darsteller gefordert werden wie (ausgebildete) Schauspieler. Diesen Stolperstein hat die SOB-Filmgruppe immer gemieden und ihren oft auszeichneten Darstellern nie zu viel zugemutet. So manche spielten zu einem Gutteil sich selbst und ersetzen mimische Finesse durch unmittelbare Authentizität. Beispielhaft seien aus dem großen SOB-Film-Ensemble genannt: Sig Fabig, Christian Grimm, Peter Pfitzner und Theo Rosendorfer. Roswitha Stieglmaier. Und natürlich Liedermacher Kurt Schwarzbauer. Nicht nur wurden zwei seiner Lieder titelgebend („Das Lied vom Lande“ und „He, Willi“); er zählte auch immer wieder zu den Hauptdarstellern.
Und da nichts laienhafter wirkt als ein schlecht gesprochener Text, suchte und fand SOB-Film vor allem bei den Dokumentarfilmen Hilfe von professionellen Sprechern. So konnte für den Lenbach-Film „Der Rote“ beispielsweise der Schauspieler Werner Schnitzer gewonnen werden, der damals ein Engagement beim Stadttheater Ingolstadt hatte.
Drehbuch
Die Entwicklung des Drehbuchs war bei SOB-Film Teamarbeit. Am Anfang stand eine vage Idee, am Ende stand ein fertiger Film, wobei die Ausgangsidee und das Endprodukt meist nicht mehr allzu viel gemeinsam hatten. Dazwischen fanden zahllose Treffen statt, bei denen die Handlung vorangetrieben, ein Erzählstrang hinzugefügt, ein anderer verworfen wurde. Wie auch immer: Der Mär vom „Geniestreich aus heiterem Himmel“ stellte SOB-Film die Wirklichkeit eines arbeitsintensiven, demokratischen Prozesses gegenüber. Egomane, tyrannische „Selbstverwirklicher“, die manchmal das große Kommerz-Kino oder auch die kleine Laienbühne prägen , hätten bei SOB-Film keinen Platz gefunden. Was nicht ausschloss, dass einige SOB-Filmer ihrem schreiberischen Talent freien Lauf lassen konnten, wenn es um die Umsetzung der gemeinsam erarbeiteten Ideen in das Drehbuch ging. Genannt sei hier allen voran Christian Grimm (1955-2021), dessen Texte für die Spielfilme „Eduard“ und „Das Lied vom Lande“ so manches Bonmont enthielten, das von SOB-Film-Fans noch Jahrzehnte später zitiert wurde.
Dokumentarfilme
Nicht weniger erfolgreich als mit ihren Spielfilmen war die SOB-Filmgruppe im Genre des Dokumentarfilms: 1979 entstand zum 75. Todestag des einst berühmten Porträtisten Franz von Lenbach im Auftrag der Stadt Schrobenhausen ein erster kleiner Dokumentarfilm. 1986 folgte „F. Lenbach, Maler aus Schrobenhausen“ als Auftragsarbeit für die Jubiläumsausstellung zum 150. Geburtstag des Porträtisten. Und bis 1989 arbeitete die Gruppe dann drei intensive Jahre lang an ihrem großen Lenbach-Werk „Der Rote Schirm“ mit Theo Rosendorfer als Hauptdarsteller. Der Film, eine Dokumentation mit Spielszenen, zeichnet mit Sympathie, aber keineswegs kritiklos eine außergewöhnliche Künstlerkarriere nach. Die Doku wurde auch im Bayerischen Fernsehen gezeigt. Politisch engagierte sich die SOB-Filmgruppe 1988 mit der poetischen Dokumentation „He Willi“ und bezog eindeutig Stellung gegen den Bau einer Umgehungsstraße durch die Paarauen.
1988: Szenenfoto aus dem Spielfilm „Des Tages Nacht“ (Foto: SOB-Film)
Erfolg
Ganz ohne nostalgische Glättung des Geschehens, einfach Ereignis an Ereignis gereiht, erwies sich die nun mehr als 45-jährige Geschichte der SOB-Filmgruppe als eine unaufhaltsame Kette von Erfolgen. Das klingt vielleicht ein wenig anmaßend, zeugt jedoch in Wirklichkeit von jener Bescheidenheit, die der SOB-Filmgruppe von Anfang an eigen war: Das Streben nach Perfektion im Rahmen des Machbaren, ohne die Grenzen dessen zu überschreiten, was einer ambitionierten Amateurgruppe personell, zeitlich und finanziell möglich ist.
1974: Woodwool – der erste öffentlich aufgeführte SOB-Film. Szenenbild mit Christian Grimm (1955-2021) und Gisela Herbst.
Filmographie
1967-1973 |
Erste Gehversuche mit nicht öffentlich aufgeführten Schwarz-Weiß-Filmen (so die Parodien „Cowboy-Film“ aus dem Jahr 1967 und „Vampir-Film“) und 1973 dem ersten teilweisen Farbfilm („Die wahre Geschichte von Rotkäppchen“) |
1974 |
Woodwool (Spielfilm) |
1978 |
Eduard oder: Der Appetit kommt beim Essen (Spielfilm) |
1979
|
Lenbach (Dokumentarfilm zum 75. Todestag des Malers) |
1982 |
Das Lied vom Lande (Spielfilm) |
1984 |
Sperrmüll (Kurzfilm) |
1986 |
F. Lenbach, Maler aus Schrobenhausen (Dokumentarfilm) |
1988 |
He Willi (Dokumentarfilm mit Kritik am Schrobenhausener Straßenbauprojekt „Südwesttangente“) |
1989 |
Der Rote Schirm (Dokumentarfilm mit Spielfilmelementen über Franz von Lenbach) |
1998 |
Des Tages Nacht (Spielfilm) |
2013 |
Lindenkeller (Spielfilm) |
2017 |
Jonathans langer Weg nach Kolbach (unvollendeter Spielfilm) |
Hinzu kommen zwei weitere Kurzfilme: „Holiday“, „Isometrische Übungen“ (siehe nächstes Stichwort)
Kurzfilme
Auch in der kleinen Form waren die SOB-Filmer heimisch. Immer wieder entstanden zwischendurch originelle Kurzfilme, denen nicht weniger Liebe und Sorgfalt gewidmet wurde. Da gab es die Fitness-Persiflage „Isometrische Übungen“ und „Holiday“, einen satirischen Blick auf den Teutonengrill an der Adriaküste. Publikumsliebling aber wurde mit Abstand die hinreißende Slapstick-Komödie „Sperrmüll“. Die Hauptrolle spielt – natürlich Kurt Schwarzbauer.
Kernteam
SOB-Filmgruppe – wer war das? Natürlich an erster Stelle Konrad Leufer. Die Biografie des pensionierten Studiendirektors, der am Gymnasium Schrobenhausen Mathematik und Physik unterrichtete, ist mit SOB-Film untrennbar verbunden. Doch so sehr SOB-Film ohne Conny, wie er von allen liebevoll genannt wird, undenkbar gewesen wäre, so sehr bedeutete SOB-Film ebenso gleichberechtigte Teamarbeit begeisterter Leute, die ihre unterschiedlichsten Talente einbrachten. Dabei konnte es auch zu wechselnden Besetzungen für die einzelnen Aufgaben kommen.
Konrad Leufer
Wenn es um seine Rolle in der SOB-Filmgruppe ging, ließ Konrad Leufer es bestenfalls zu, als „Primus inter pares“ oder „Gleicher unter Gleichen“ bezeichnet zu werden. Wie wenig Eitelkeit eine Rolle spielte, zeigte sich allein darin, dass bis fast zuletzt im Nachspann Namen keine Rolle spielten. Das stand einfach nur „SOB-Filmgruppe“.
Und doch wäre SOB-Film ohne Konrad Leufer völlig undenkbar gewesen, wäre nie zum Leben erweckt worden. Er war Geist, Herz und Seele der Filmgruppe, die übrigens nie in irgendeiner Weise einen festen organisatorischen oder gar statuarischen Rahmen besaß: kein Verein, keine formelle Mitgliedschaft, einfach eine lockere Gruppe von Gleichgesinnten. Dass dies über Jahrzehnte harmonisch und konfliktlos funktionierte, war vielleicht die bedeutendste der zahlreichen Begabungen, die Konrad Leufer einbrachte. Er besaß ein ungewöhnliches Talent, die SOB-Filmgruppe auf spielerische Weise zu lenken, und eine ebenso ungewöhnliche Integrations- und Motivationskraft, ganz unterschiedliche Persönlichkeiten auf ein gemeinsames Ziel einzuschwören. Nie wollte er alles an sich reißen, er wusste zu delegieren und Vertrauen in die spezifischen Begabungen der Beteiligten zu setzen, das reich honoriert wurde.
Trotz aller Team-Arbeit: SOB-Film war letztlich Konrad „Conny“ Leufer – und umgekehrt. Rechts im Bild Peter Fischer.
Hinzu kam die Begeisterung für Technik im Allgemeinen und die Elektronik im Besonderen, die den Mathematik und Physik lehrenden Studiendirektor am Gymnasium Schrobenhausen auszeichneten. Und sein Blick für schöne Bilder, für so wunderschöne Bilder, dass niemand ihm jemals streitig machte, hinter der Kamera zu stehen. Diese Rivalität des „Ich möchte auch mal …“, die mancher ambitionierten Amateurfilmgruppe in Streit und Mißgunst den Garaus gemacht hat, war bei SOB-Film unbekannt.
Nach ziemlich genau 50 Jahren hinter der Kamera führten widrige Umstände dazu, dass der so gut wie vollendete Spielfilm „Jonathans langer Weg nach Kolbach“ leider nicht mehr in das lokale Kino kommen oder als DVD der Nachwelt erhalten bleiben kann. Konrad Leufer hat sich seither altersbedingt vom Filmemachen zurückgezogen. Eine Ära ist zu Ende.
Noch wissen sie nicht, welcher Erfolg auf sie wartet: Viele Szenen des ersten großen SOB-Spielfilms „Das Lied von Lande“ entstanden im Lindenkeller. Das Fotos aus den früher 80-er Jahren zeigt links Konrad Leufer, rechts Hauptdarsteller und Liedermacher Kurt Schwarzbauer, von dem auch der titelgebende Song stammt. In der Mitte Luefers schon 1988 verstorbener „Vize“ Peter Fischer. (Foto: SOB-Film)
Lindenkeller
Die SOB-Filmgruppe war zwar acht Jahre älter als der 1975 als „Sig‘s Kneipe“ von Sig Fabig wieder eröffnete „Lindenkeller“, dennoch ist die eine ohne den anderen nur schwer vorstellbar. Fast 40 Jahren war der „Lindenkeller“ Kristallisationspunkt der SOB-Film-Arbeit: Treffpunkt, Ideenbörse und Drehort in einem. Im tiefen Kellergewölbe entstanden 1977 „martialische“ Szenen zum Eduard-Film, unterm Dach befand sich in den 80-er Jahren das erste Tonstudio. Und der letzte Film hieß – „Lindenkeller“!
Malen mit der Kamera
Spannende Handlung, witzige Dialoge, Perfektion bei der Erarbeitung der Szenen, beim Bau der Kulissen, bei der Führung des Lichts und eine ausgefeilte Kameraführung zählen zu den Markenzeichen der SOB-Filme. Doch das ist noch immer nicht alles. Seit den ersten Filmen hält die mitunter turbulente Handlung ab und an inne, und die Bilder laden zum Verweilen ein: eine sonnendurchflutete Waldlichtung, eine Idylle an der Paar, eine einfache Hütte unter Bäumen … Fern jeder künstlichen Überhöhung, bar jeder billigen Esoterik kehrt Harmonie ein in die Seele des Betrachters bei diesen unglaublich schönen Bildern. Conny Leufer war neben all seinen anderen Talenten auch ein „Maler mit der Kamera“.
Malen in der Kamera: Eine besondere Stärke von Konrad Leufer.
Musik
Eines der „Erfolgsgeheimnisse“ der SOB-Filmgruppe war die Musik. Den Griff in die Konserve gab es nur ganz am Anfang. Seit dem „Lied von Lande“ beruhte die gesamte Filmmusik auf selbst eingespielten Eigenkompositionen, die SOB-Filme auch akustisch unverwechselbar machen. Drei Namen, drei Profimusiker, drei Glücksfälle: Peter Hillinger, Werner Pilnei, Kurt Schwarzbauer, Jörg Weber. Und als Berater für die bei SOB-Film so wichtige Filmmusik: Lehrer und Trompeter Peter Pfitzner, der als Darsteller auch immer wieder vor der Kamera stand.
Sig’s Kneipe
siehe Lindenkeller
Technik
Begonnen hat alles mit einer 8 mm-Kamera und Schwarz-Weiß-Filmmaterial, das damals für das studentische Budget der SOB-Filmer schon eine gehörige Belastung darstellte. Die weiteren Stationen: Farbe, Super-8, 16 mm-Film mit Profi-Kamera und bei den Arbeiten am Spielfilm „Lindenkeller“ erstmals Digitaltechnik: Für Conny Leufer war es eine spannende Herausforderung, seinen geliebten Schneidetisch, den der Physik-Lehrer mit vielen Geräten Marke Eigenbau perfektioniert hatte, gegen einen PC zu tauschen. Bilder von nie gekannter Brillanz und technischer Perfektion waren der Lohn der mutigen Entscheidung.
Hinter dem Kulissen von SOB-Film: Peter Fischer, Sig Fabig und „Operateur“ Conny Leufer im Schneideraum.
Wettbewerbe
Eigentlich war es Zufall, dass die SOB-Filmer einige Jahre an Wettbewerben der organisierten Amateurfilm-Szene teilnahmen, ohne sich jedoch den dort gepflogenen Trends und Moden anzupassen. Wo immer die SOB-Filmer antraten, hagelte es Preise wie etwa den Titel „Bester Deutscher Amateurfilm des Jahres 1982“ für „Das Lied vom Lande“. Die Anerkennung tat gut, doch hatten die SOB-Filmer diese Hürde so mühelos genommen, dass es letztlich keine Herausforderung war. Ein Übriges taten die frustrierten Mienen anderer Teilnehmer: „Wenn ihr kommt, haben wir eh keine Chancen…“ So blieben die Wettbewerbe eine Episode von wenigen Jahren Dauer.
Benno Bickel
Anmerkung: Dieser Text entstand im März 2013 anlässlich der Erstaufführung des SOB-Films „Lindenkeller“, wurde nach leichter Überarbeitung grammatikalisch in die Vergangenheitsform gesetzt – auch die SOB-Filmgruppe ist Vergangenheit -, behutsam der augenblicklichen Rechtschreibung angepasst und im Sommer 2022 ergänzt um die Stichworte „Filmographie“ und „Konrad Leufer“. 1923 ist eine ganze Reihe von Bildern hinzugekommen.