Juan Diaz – der Kainsmord zu Neuburg 1546
Juan Diaz (1510-1546)
Vorbemerkung
Schon im Jahr 1982 habe ich mich in einer Publikation mit diesem Thema beschäftigt und ein Facsimile des Drucks von Philipp Melanchthon veröffentlicht. Seither hat mich diese Tat immer wieder interessiert, heute sind zahlreiche Werke auch digital greifbar, was Recherchen enorm erleichtert. Der hier vorliegende Text wird im Laufe der Zeit mit weiteren interessanten Details ergänzt.
Der Kainsmord
Ein Mordfall, der im sogenannten „Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation“ großes Aufsehen erregte, zunächst Fürsten und Kleriker, den Kaiser und den Papst und später immer wieder Historiker und Theologen beschäftigte: Der Mord an dem protestantischen Theologen Juan Diaz in Neuburg an der Donau am 27. März 1546. Juan – auch Johannes – Diaz hatte sich dem Protestantismus zugewandt, und wurde, nachdem Versuche, ihn zum katholischen Glauben zurückzugewinnen, scheiterten, im Auftrag seines Bruders Alphonso mit einem Beil erschlagen. Dieser Mord wurde in zeitgenössischen Schriften mit dem Mord von Kain an Abel verglichen. Die Geschehnisse geben einen mikrogeschichtlichen Einblick in die Zeit der Reformation, in die Wirren und Auseinandersetzungen zwischen Verfechtern und Gegnern und die komplizierten Machtverhältnisse des deutschen Reiches in dieser Zeit.
Viele Details erfahren wir aus der zeitgenössischen Schrift des Claudius Senarcleus, eines Weggefährten des Juan Diaz, der sich zum Zeitpunkt der Tat im Haus des Ermordeten aufgehalten hatte.
Die Vorgeschichte
Juan Diaz entstammt einer spanischen Adelsfamilie, studiert zunächst an spanischen Universitäten und später in Paris. Anschließend hält er sich in Genf auf, wo er auch Johannes Calvin kennen lernt, der den Protestantismus in der Schweiz durchsetzt. Danach geht er nach Straßburg und zu Beginn des Jahres 1546 reist er nach Regensburg zu einem Religionsgespräch, zu dem Kaiser Karl V. eingeladen hatte. Diaz verlässt dieses Gespräch vorzeitig und begibt sich nach Neuburg an der Donau, zu dieser Zeit Residenzstadt des 1505 neu geschaffenen Fürstentums Pfalz-Neuburg. Zeitgenossen gehen davon aus, dass er die Publikation von Schriften des protestantischen Theologen und Weggefährten Martin Bucer begleiten wollte. Juan Diaz fühlte sich wohl sicher, war Ottheinrich von Pfalz-Neuburg doch 1542 zum Protestantismus übergetreten.
Brudermord, Flucht, Verhaftung
Seinem Bruder Alphonso Diaz, zu dieser Zeit Priester und Rat am obersten päpstlichen Appellationsgericht in Rom, wurde zugetragen, dass sich Juan dem Protestantismus zugewandt hatte. Auf sein unablässiges Nachfragen erfährt er, dass sich Juan in Neuburg aufhält. So macht sich Alphonso auf den Weg. Senarcleus schildert in ausschweifenden Worten, wie Alphonso versuchte, seinen Bruder bei einem Besuch in Neuburg direkt oder mit List zum katholischen Glauben zurückzugewinnen, ohne Erfolg. Daraufhin begibt sich Alphonso nach Augsburg, dingt sich dort einen „Knecht“, um nach Neuburg zurückzukehren.
In Neuburg angekommen, scheint Juan noch geschlafen zu haben, er wird unter Vorwand geweckt, betritt das Gästezimmer und wird von dem gedungenen Knecht mit einem Beil erschlagen, der Bruder wartet draußen vor der Tür. Nach der Tat wurden die beiden sofort verfolgt, jedoch erst in Innsbruck aufgespürt und verhaftet. Ein Auslieferungsgesuch des Ottheinrich wurde nach der Einmischung des Kaisers ausgesetzt, eine Untersuchung auf dem Reichstage versprochen. Diese fand jedoch nie statt, so dass die Mörder ungeschoren davonkamen.
Motive: Verwicklung des Vatikan?
Schon immer wurde über die Motive der Tat spekuliert: War es eine persönliche Auseinandersetzung innerhalb der Familie? Forscher bezweifeln das. Der Schweizer Otmar Gratzl, der die im Mordjahr 1546 erschienene Schrift des Senarcleus neu übersetzte (siehe Literatur unten), schreibt im Nachwort: „Klar formuliertes Ziel der in diesem Buch beschriebenen Intrigen war (…) die Verhinderung der Ausbreitung der Reformation nach Spanien, in das Kernland des Weltreiches Karls V., ein noch geschlossen papsttreues Gebiet. Dafür wurde unter anderem mit Mitteln wie Überredung, Drohung, Nötigung, Bestechung, Kirchenstrafen und hinterhältigem Mord gearbeitet.“ Ob der Papst selbst mit in die Sache verwickelt war?
Der Neuburger Drucker Hans Kilian
Juan Diaz war nach Neuburg gekommen, um die Publikation der Schriften des protestantischen Theologen Marin Bucer zu besorgen. In der Tat erscheint im Jahr 1546 ein Werk von Martin Bucer im Neuburger Verlag des Hans Kilian, der von Ottheinrich nach Neuburg geholt worden war, um den Protestantismus durch Publikationen zu unterstützen. Das Werk Bucers erschien wohl nach dem Tod von Juan Diaz. Ebenfalls nach dessen Tod erscheint 1546 im Verlag Kilians Juan Diaz‘ Schrift „Christianae Religionis Summa“, zugeeignet dem Fürsten Ottheinrich. Ob Juan Diaz auch eine eigene Publikation geplant hatte, oder ob das erschienene Werk von seinen Weggefährten nach seinem Tod in Druck gegeben wurde, muss offen bleiben. Den Titel „Summa“ trugen seit dem Mittelalter Werke, die entweder ein Thema sehr ausführlich abhandelten – oder eben wie hier die wichtigsten Grundsätze klar und zusammenfassend formulierten. Summa könnte hier mit „Quintessenz“ übertragen werden, freier übersetzen können wir den Titel wohl mit „Die Grundlagen der christlichen Religion“.
Ein PDF des Drucks von „Johannes Diaz“ aus dem Jahr 1546 finden Sie hier
Schmalkaldischer Krieg
Das Zeitfenster für diese Publikationen war eng, Gewitterwolken waren schon längst am Horizont aufgezogen, zwei Parteien formierten sich und rüsteten sich zum Kampf.
Auf der einen Seite Kaiser Karl V., der sein Reich wieder zum Katholizismus zurückführen wollte, auf der anderen Seite der Schmalkaldische Bund, ein Bündnis von Reichsstädten und Fürsten, die den Protestantismus verteidigten. Im Jahr 1546 kam es zum so genannten Schmalkaldischen Krieg, in dessen Verlauf im Herbst 1546 auch das protestantische Neuburg von katholischen Truppen besetzt wurde. Dabei wurde auch die Druckerei des Hans Kilian teilweise zerstört. Es dauerte viele Jahre, bis Kilian seine Tätigkeit wieder aufnehmen konnte.
Melanchthons „Ware Historia“
Im Folgenden die noch im gleichen Jahr erschienene Schrift des bedeutenden protestantischen Theologen Philipp Melan(ch)thon. Die Übertragung der Titelseite erfolgt buchstabengetreu, Groß- und Kleinschreibung von Substantiven wurde modernisiert. Weitere Seiten mit Transkription folgen.
Kleine Literaturauswahl
Historien. Der Heyligen Außerwölten Gottes Zeugen / Bekennern / und Martyrern (….), beschryben/ Durch Ludovicum Rabus von Memmingen / der H. Schrifft Doctorn / unnd Prediger der Kirchen zu Straßburg. Der Ander (= zweite) Theyl, Straßburg 1558 (Rechtschreibung des Titels leicht modernisiert)
Die Geschichte von Johannes Diaz findet sich auf Seite CCLXXIII v (= Seite 273 v, unnummerierte Rückseite) und folgt in Auszügen der Schrift von Claudius Senarcleus. Auf Seite CCC (= Seite 300) befindet sich eine deutsche Übertragung von Diaz‘ Schrift „Christianae Religionis Summa“ (hier übersetzt mit „Summarischer Begriff christlicher Religion“) aus dem Jahr 1546.
Der Band (Dateigröße je nach Qualität 140 bis 200 MB ) kann heruntergeladen werden von der Staatsbibliothek zu Berlin hier
D. Georg Veesenmeyer: Des Evangelischen Märtyrers Johannes Diazius Dedication seiner Schrift: Christianae religionis Summa, an den Pfalzgrafen Otto Heinrich, aus der Originalhandschrift mitgetheilt, in: Zeitschrift für die historische Theologie, Band 7, Leipzig 1837, S. 156-165 (Google präsentiert den Aufsatz hier)
Hans Kilian: Buchdrucker im Dienste Ottheinrichs und der Reformation. Ausstellung der Staatlichen Bibliothek (Provinzialbibliothek) vom 09. September bis 30. Oktober 1994 in der Städtischen Galerie im Rathausfletz, Neuburg an der Donau. Mit Beiträgen von Reinhard H. Seitz, Horst H. Stierhof, Helga Unger, Renate Gisela Wörle, Schrobenhausen 1994 (Verlag Benedikt Bickel)
Francisco de Enzinas und Claudius Senarcleus: Der Kainsmord zu Neuburg. In die deutsche Sprache übertragen von Otmar Gratzl, Basel 2015 (Verlag Johannes Petri, das Buch ist wohl nur noch antiquarisch erhältlich)
Martin Hille: Zweifelhafte Absichten. Regensburg anno 1546: Waren das Religionsgespräch und der Reichstag nur Finten für Kriegsvorbereitungen?, in: Unser Bayern, Nr. 5-6/2021, S. 20-25