Neuburg – von der Residenzstadt zur bürgerlichen Stadt 1750-1850
Neuburg an der Donau um 1830-1850
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Neuburg – von der Residenzstadt zur bürgerlichen Stadt 1750-1850
Neuburg war seit der Gründung des Herzogtums Pfalz-Neuburg im Jahr 1505 zunächst Residenz- und Hauptstadt, später nur noch zeitweise Residenz, Nebenresidenz oder Witwensitz. Es gibt bisher keine ausführliche Untersuchung, wie sich das Bürgertum in Neuburg neben dem vor allem auf dem Stadtberg dominierenden höfischen Leben, dem Adel und den Hofbeamten entwickeln konnte. Dr. Thomas Götz, Historiker an der Universität Regensburg, hat dazu einen ausführlichen Artikel verfasst, den wir mit seiner Zustimmung hier als PDF-Datei präsentieren wollen:
„Geist des Absolutismus“
Im Jahr 1905 reist der liberale badische Priester und Schriftsteller Heinrich Hansjakob durch Bayern und macht auch in Neuburg Halt. In seinen Reiseerinnerungen „Sonnige Tage“ schildert er seine Eindrücke: Die Stadt sei die sauberste, eleganteste, aber auch langweiligste der bisher besuchten Donaustädte. Er kommt zum Schluss: „Wenn man in Neuburg oben die brutale Zwingburg und unten die zahme, regelmäßige, zugestutzte Stadt sieht, so meint man, der böse Geist des Absolutismus, der auf der Burg einst herrschte, lasse jetzt noch unten keinen heiteren Sinn und kein Leben aufkommen und habe sich als Gespenst der Langeweile über das heutige Neuburg gelagert.“
Thomas Götz nimmt diese Schilderungen zum Anlass, der Geschichte des Neuburger Bürgertums nachzuspüren, insbesondere wie die nahe Residenz die bürgerliche Entwicklung beeinflusst hat. Städte – nicht nur Reichsstädte – waren ja stolz auf ihre Stadtrechte, ihre eigenständige Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Die Stadt Neuburg muss in diesem Fall als „Zwitter“ gesehen werden: einerseits war sie „Residenzstadt“ des Fürstentums Pfalz-Neuburg, auch als Nebenresidenz und Witwensitz herrschte immer noch höfisches Leben in der Stadt – bis ins 19. Jahrhundert. Andererseits die „Bürgerstadt“: das Selbstbewusstsein des Bürgertums scheint unterdurchschnittlich ausgeprägt zu sein, der Einfluss der nahen Fürsten, Hofverwaltung auf städtische Entscheidungen nicht unerheblich.
Diese spezielle Prägung des Bürgertums ist bis ins 20. Jahrhundert, ja bis heute spürbar. Bis heute gibt kaum Publikationen über das Neuburger Stadtrecht, obwohl Neuburg zu den ältesten Städten Bayerns zählt. So spricht die Homepage der Stadt von ihrer „Blütezeit“ zur Zeit des Fürstentums, so feiert die Stadt Neuburg kein „Bürgerfest“, sondern ein „Schlossfest“.
Über Heinrich Hansjakob gibt es einen sehr interessanten und ausführlichen Artikel bei Wikipedia hier.
Der Aufsatz bei uns als PDF
Mehr wollen wir nicht verraten. Wir präsentieren hier den Aufsatz von Thomas Götz, unseres Wissens der erste, der sich mit dieser Thematik aus diesem Blickwinkel befasst. Wir danken dem Autor für seine Zustimmung, den Aufsatz auf unserer Homepage präsentieren zu dürfen. Der Aufsatz ist im Jahr 2009 in der Zeitschrift „Die Alte Stadt“ erschienen, der Verlag hat sich in „Forum Stadt Verlag“ umbenannt. Wir bedanken uns auch ganz herzlich für die Zustimmung des Verlags zur Präsentation als PDF.
Den Aufsatz finden Sie als PDF hier.
Kurzbiografie von Dr. Thomas Götz
1965 geboren, 1986-1992 Studium in München und Siena, Promotion über Bürgertum und Liberalismus in Tirol im 19. Jahrhundert. Seit 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Europäische Geschichte in Regensburg. Aktuelle Forschungsschwerpunkte sind vor allem neuzeitliche Stadt- und Umweltgeschichte. Thomas Götz ist Herausgeber der „kleinen bayerischen biografien“ und der „kleinen münchner geschichten“ für den Pustet Verlag in Regensburg. Letzte Buchveröffentlichung: Die bayerische Stadt – vom 19. ins 21. Jahrhundert. Ein Essay, Regensburg 2019.
Kleine Neuburger Stadtgeschichte
Thomas Götz lebte von 2010 bis 2018 in Neuburg und hat für die im Pustet Verlag erschienene „Kleine Stadtgeschichte“ Neuburgs das Kapitel „Der lange Weg in die Kleinstadt-Moderne. Neuburg im Jahrhundert des Bürgertums 1800-1914“ verfasst. In gewisser Weise kann man dieses Kapitel als Fortsetzung des hier präsentierten Aufsatzes sehen.
Thomas Götz, Markus Nadler, Marcus Prell, Barbara Zeitelhack: Neuburg an der Donau. Kleine Stadtgeschichte, Regensburg 2022 (2. aktualisierte Auflage, Verlag Friedrich Pustet, im Buchhandel erhältlich für 16,95 Euro)
Das Inhaltsverzeichnis des Bandes finden Sie hier.
Verlag „Die Alte Stadt“
Der Verlag wurde inzwischen in „Forum Stadt Verlag“ umbenannt und hat alle Jahrgänge seiner Zeitschrift von 1974 bis 2016 freigeschaltet. Sie können gelesen und heruntergeladen werden unter
Startseite – Forum Stadt Verlag
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Max Direktor